Hecken als ErtragsfaktorNachhaltige Landwirtschaft mit Bäumen: Agroforstsysteme – Agroforstwirtschaft – produktive Hecken |
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Dieser Text ist ein Arbeitspapier von Burkhard Kayser. Es soll die aktuelle (und historische) Situation der Hecken im landwirtschaftlichen Betrieb beleuchten, speziell ihre Bedeutung für die Produktion. Dabei wird das Modell der Ertragshecken vorgestellt, die der Erhöhung des Gesamtertrages der landwirtschaftlichen (und gärtnerischen) Nutzfläche dienen. Die einzelnen Aspekte der Ertragshecken werden in den einzelnen Kapiteln näher erläutert (weitere sind in Vorbereitung). |
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Hecken als Ertragsfaktor |
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Teil 1: Einführung Neben den Wäldern gehören die Hecken zu den wichtigen Landschaftselementen, die durch Gehölze dominiert werden. Es haben sich in Mitteleuropa verschiedene Heckenformen herausgebildet, die sich durch Gehölzarten und menschlichen Einfluss unterscheiden. So lassen die norddeutschen Knicks nur solche Gehölzarten aufkommen, die gegen das periodische Abknicken unempfindlich sind. Typisch sind auch die sog. Wallhecken, die auf Erdwällen stehen und ausgewachsene Solitärbäume oder Baumreihen mit Eichen enthalten.
Überalterte
Hochhecke in Niedersachsen als Negativbeispiel
Während es noch Anfang der fünfziger Jahre zu systematischen Windschutzpflanzungen beispielsweise in Westfalen-Lippe kam, wurden Jahre später im Zuge der Flurbereinigung viele alte Hecken vernichtet. Die Landschaft sollte maschinengerechter gestaltet werden, möglichst große Ackerflächen wurden zum Ideal. Das scheint bis heute so geblieben zu sein. Bei sinkenden Erzeugerpreisen erscheint es den Landwirten nötig, jeden Quadratmeter Boden zu nutzen. Die immer stärker steigende Leistung der Landmaschinen und die Betriebs- und Flächenvergrößerung stehen dabei in einem engen Wechselspiel. Von Gehölzen ausgeräumte Landschaften begünstigen diese Entwicklung. Während der allgemeine Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft zunimmt und von vielen als unabänderlich angesehen wird, werden überall im kleinen Alternativen erprobt. Die Einsicht in die Notwendigkeit, den "silent spring" zu verhindern sowie der Wunsch nach einem anderen Umgang mit der Natur und ein bewusster Lebensstil prägen die neue Überzeugung. Naturschutz und biologischer Anbau entwickelten sich neben dem Bekenntnis zur bäuerliche Landwirtschaft zu umfassenden Konzepten, die in der Landschaft ihre Spuren hinterlassen. Neben dem Schutz und der Neuanlage von Feuchtbiotopen jeglicher Art sind Hecken sicherlich das Landschaftselement, das die meiste Beachtung bekommen hat. Über seine "Ökonische" hinaus ist die Hecke zum Symbol für das Miteinander von Mensch und Natur im Rahmen der Landwirtschaft geworden. In kaum einem Dorferneuerungsprogramm darf die Neuanlage von Heckenstreifen fehlen, wenngleich sie meist auf Landschaften beschränkt bleibt, die noch über intakte Reste verfügen. Ausgeräumte Agrarsteppen werden weiterhin dem Produktionszwang unterworfen. Der Ansatz der Ertragshecken will die Hecken wieder in einen größeren Zusammenhang stellen. Das Modell der Ertragshecken wurde aus ähnlichen Versuchen der Universität Leeds vom Autor weiter entwickelt. Während sich die traditionelle Nebennutzung von Hecken mit vorhandenen und lokal eingebürgerten Baum- und Straucharten begnügte, fordert die Agroforstwirtschaft klare Ertragsziele. Ertragshecken sind eine Verknüpfung von Agroforstwirtschaft mit traditionellen Heckensystemen, von Produktion und Verbesserung der Produktionsgrundlagen der Ackerflächen mit aktuellen Naturschutzzielen. Für die Baumschicht werden hochwertige Großbaumarten (als Windschutz und für Holz) verwendet, die Strauchschicht enthält Wild- und Kulturbeerensorten sowie Gehölze für Nutzinsekten. Damit sind Ertragshecken ertrags- und funktionsorientiert ("multipurpose structures"). Sie sollen auf Grundlage einer umfassenden Planung die positiven Eigenschaften der Hecken mit den Produktionszielen in der Landwirtschaft verbinden und die negativen Wirkungen falsch angelegter bzw. gepflegter Baumpflanzungen vermeiden.
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Hecken als Ertragsfaktor |
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Teil 2: Windschutzhecken Insbesonders den ausgewachsenen Hecken kommt eine wichtige lokalklimatische Bedeutung zu. Dort wo es großflächige Entwaldungen gab, konnte recht bald eine ungünstige Entwicklung der kleinklimatischen Verhältnisse beobachtet werden, wie es z.B. schon 1858 in der Ukraine wissenschaftlich dokumentiert wurde. Die Notwendigkeit von Windschutzpflanzungen wurde dort bereits 50 Jahre früher erkannt. In Deutschland sind durch die kleinflächige Strukturierung der Landwirtschaft erst viel später systematische Windschutzpflanzungen vorgenommen worden. Hecken bildeten schon seit Jahrhunderten die Abgrenzung zwischen zwei Feldern und boten genügend Windschutz. In baumlosen Landschaften kann der Wind ungebremst über die Felder wehen. Für die schweren Böden beispielsweise in Schleswig-Holstein ist das im Frühjahr recht nützlich, da sie dadurch schneller abtrocknen und zur Frühjahrsbestellung bereit sind. Auch für die Bestäubung mancher Pflanzen ist der Wind erforderlich, ebenso wie für die Transpiration (Verdunstung der Pflanzen), welche ihren internen Nährstofftransport bewirkt. Die positiven Wirkungen des Windes gelten bis zu einem recht niedrigen Schwellenwert, darüber wird er auf Boden und Pflanzen einen störenden bis schädlichen Einfluss nehmen. Dazu zählt die Winderosion, Verwehungen, Austrocknung und Dissimilation (überhöhte Verdunstung der Pflanzen) bis hin zu Sturmschäden bei Bäumen. Zwar ist die Stärke und Richtung des Windes auf dem Festland von der Topographie abhängig, doch bildet die Vegetation unserer Kulturlandschaften den wesentliche lokale Einflussfaktor für den Pflanzenbau. Durch bewusste Gestaltung unserer Kulturlandschaften können wir einen bislang unterschätzten Einfluss auf die Ertragsfähigkeit unser Kulturpflanzen ausüben. So wie bei der Düngung um die Höhe der Erträge gerungen wird, lassen sich durch die Nutzung von Gehölzen die abiotischen Faktoren wie Windschutz, stärkere Taubildung und erhöhte Luftfeuchtigkeit (W. Creutz 1949) optimieren. Quantitativ führt das beispielsweise zu einer Erhöhung des Roheiweißgehaltes im Weizen und Weidefutter, wie J. Feise bereits 1966 nachweisen konnte. Ähnlich Untersuchungen haben das mittlerweile oft genug bestätigt. Vergleicht man die verschiedenen Untersuchungen, so wird anhand der Ergebnisse deutlich, das der Windschutzeffekt je nach Gestaltung des Schutzstreifens unterschiedlich ausfällt. Die Topographie des Geländes, die Dichte, Form, Höhe und Zusammensetzung des Windschutzstreifen haben alle einen Einfluss. Die maximale Vegetationsdichte wird zwar durch dichte Nadelgehölzstreifen erreicht, jedoch ist die Windschutzwirkung kleiner als mäßig durchlässige Objekte, da an sehr dichten Hindernissen der Wind verwirbelt. Bei einer mittleren Durchlässigkeit durchströmt der Wind die Gehölzreihe, wodurch er abgebremst wird. Die Begriffe Dichte und Durchlässigkeit basieren auf Schätzungen. da sie schwer zu quantifizieren sind. Für die Praxis reichen die Beobachtungen und Erfahrungsberichte aus, um zu einem nutzbaren Ergebnis zu kommen. Verkürzt gesagt bietet ein Gehölzstreifen dann einen ausreichenden Schutz, wenn die Strauchschicht und der Kronenraum einen gleichmäßigen geschlossenen Eindruck bieten. Im Kronenraum müssen sich die Bäume auf breiter Fläche berühren. Das erfordert ca. 10m Abstand bei Großbäumen (h=20m), 5m bei Kleinbäumen. Besser ist eine dichtere Pflanzung mit späterem Auslichten zur Nutzung (Stangenholz). Das Landwirte hauptsächlich die negativen Auswirkungen von Bäumen und anderen Gehölzen auf ihre Kulturpflanzen sehen, hängt nicht unwesentlich mit ihrem meist zufälligen Vorhandensein zusammen. Mögen die Bäume bei ihrer Pflanzung in einen Zusammenhang gehört haben, ist dieser im Laufe der Jahrzehnte verloren gegangen. Von alten Hecken ist oft die Strauchschicht verschwunden und nur noch die alten Eichen übrig geblieben, die naturgemäß unter ihrer Krone das Wasser absaugen, dass sie für ihr Wachstum benötigen. Da die Landwirte versuchen, sehr nah an ihren Stamm heran zu pflügen, geraten sie in diesen Einfluss. Der Wasserentzug führt zu einem Ertragsverlust und damit zu einem negativen Image der Bäume. Eine Verbreiterung der Heckenbasis durch eine Unterpflanzung im Kronenbereich kann die überalterte Hecke reaktivieren und durch stammweises Fällen eine allmähliche Verjüngung ermöglichen, ohne dass ein Kahlschlag entsteht (solange kein konservierendes Naturschutzgesetz durch ein Fällverbot die Überalterung forciert).
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Hecken als Ertragsfaktor |
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Teil 3: Produkte aus Hecken In weiten Teilen der Landwirtschaft werden Hecken als Verringerung der Produktionsfläche gesehen. Dadurch sind Sie unerwünscht, weil die steigenden Betriebskosten bei sinkendem Erlös für landwirtschaftliche Produkte zu einer Beanspruchung aller Flächen führt. Der Trend geht zu immer größeren Schlägen. Die indirekten Ertragsfaktoren wie Windschutz oder erhöhte Luftfeuchtigkeit lassen jedoch den realen Ertrag auch bei einer Flächenreduzierung durch Hecken nicht sinken, sondern tragen zu einem höheren Ertragsniveau bei. Das die Hecke selbst heute als "nutzlos" gesehen wird, hängt mit den industriellen Lebensbedingungen unserer Zeit zusammen. Früher stellte die Nebennutzung der Hecken einen wichtigen Ertragsfaktor dar. Das Holz wurde für Bohnenstangen, Pfosten, Brennholz, Besen, Korbflechtmaterial oder stammweise als Nutzholz verwendet. Für die Ernährung boten Hecken eine kostenlose und schmackhafte Abwechslung. Eine überschlagende Schätzung eines Hecken - Fruchtertrags ergab auf 100 laufende Meter:
Diese Früchte wurden vielfältig genutzt: ob frisch, getrocknet, eingelegt oder zu Marmelade gekocht, im besten Falle gaben Hecken eine Vielfalt an Nahrung. Durch die heute so einfache Verfügbarkeit von Obst, Marmeladen und Konserven aus aller Welt in unseren Supermärkten ist die Wildsammlung für uns zu einem seltenen Freizeitvergnügen geworden. Nur selten sind noch ältere Frauen beim Holunder sammeln zu beobachten. Die Vogelbeeren (Ebereschen) gelten bei den meisten Menschen sogar als giftig, stellen aber mit ihrem je nach Art mehr oder weniger herben Geschmack eine leckere Bereicherung unseres Speisezettels dar. Auf der Suche nach Einkommensalternativen für die Landwirtschaft sind einige Pflanzenbau-Versuchsanstalten und Raiffeisengenossenschaften auf die kultivierten Sorten des Wildobstes gestoßen. Was früher als Wildformen unsere Heckenpflanzungen bereicherte, ist in den letzten Jahrzehnten züchterisch bearbeitet worden: Dazu zählen Holunder, Vogelbeere, Felsenbirne, Hagebutten und die Johannisbeere. Insbesonders die Länder des ehemaligen Ostblocks waren darin aktiv, um ihrer Industrie pflanzliche Rohstoffe zu verschaffen (Vitamine, Farbstoffe, Aromen, etc.). Nicht nur die Entwicklung des biologischen Landbaus hat gezeigt, dass die Verbraucher bereit sind, für qualitativ hochwertige Produkte angemessene Preise zu zahlen. So kann die Bereicherung des Speisezettels durch die "einheimischen Exoten" durchaus ein Einkommenszweig für Betriebe werden, die durch Direktvermarktung ihren Kunden die Qualität solcher Produkte anschaulich machen können. Die sichtbare und begreifbare Umwelt eines Bauernhofes als Produktionsgrundlage naturnah erleben zu können - in Form von Büschen und Bäumen - führt zu erhöhter Kaufmotivation und ermöglicht eine verbesserte Marktsituation. Ohne das Selbstpflücken von Heidelbeeren oder Erdbeeren wäre es kaum zu einer Renaissance dieser Früchte in den vergangenen Jahren gekommen. Folgende Faktoren fördern die Vermarktungschancen für Wildobst:
Es ist offensichtlich, dass dasselbe auch für andere Produkte aus Agroforstsystemen gilt. Hier greift die Produktorientierung in den Bereich der Gestaltung über: Über den Monokultur-Anbau von Wildobst hinaus lassen sich die Bäume und Sträucher zu einer flächendeckenden Gestaltung eines landwirtschaftlich - gärtnerischen Betriebes einsetzen. In den Ertragshecken besteht die Baumschicht aus solchen Arten, die sich für den Wertholzanbau lohnen. Das Produktionsziel ist astfreie A-Ware, die für Möbelfunier und anderen hochwertigen Einsatz vorgesehen ist. Als Beispiel seien hier Schwarznuß, Erle oder Kirsche genannt, je nach Standort und Boden. Gegenüber den meist leicht verderblichen Produkten der Landwirtschaft haben Bäume den "Sparkassenbonus". Sie sind eine langfristige Geldanlage, erfordern Pflege meist in der arbeitsarmen Winterzeit und können nach Bedarf gefällt werden - je nach Marktpreisen. Zwar wird der Holzmarkt von billig importiertem Holz bestimmt, andererseits ist über einen Zeitraum von 40 bis 60 Jahren kaum eine Prognose über die Preisentwicklung zu treffen. Wird die Vermarktung vom Betrieb selbst in die Hand genommen, lassen sich die Erlöse steigern. Der richtige Zeitpunkt des Fällens wirkt sich auf die Haltbarkeit aus. Denkbar ist, das Holz selbst aufsägen zu lassen und zu trocknen, gegebenenfalls zu verarbeiten. Die Strauchschicht der Ertragshecken besteht aus Wild- und Kulturobst (z.B. Pflaumen und Johannisbeeren) mit weiteren Naturschutz relevanten Gehölzen (Insekten, Vögel, etc.) wie Pfaffenhütchen oder Faulbaum. Die Auswahl der Gehölze wird von · den natürlichen Bedingungen (Boden, Klima, etc.) · den Vermarktungsoptionen (Direktvermarktung, Lagerfähigkeit, etc.) · und den Blütezeiten bestimmt. Letztere wird so abgestimmt, dass die ganze Saison über eine Bienen- und Hummel- und Insektenweide zur Verfügung steht. Damit wird das System Ertragshecke auch für Imker hochinteressant, da die Völker vor Ort bleiben können. Es steht laufend eine Tracht zur Verfügung. Das ganzjährige Angebot für Hummeln sichert auch bei ungünstigem Wetter, wenn die Bienen nicht fliegen, die Befruchtung. Am Anfang der Ertragshecken, wie aller Agroforstsysteme steht eine umfassende Planung. Grade bei langlebigen Strukturen ist, neben der genauen Standort- und Pflanzenkenntnis eine Vorausschau auf dem Papier die einzige Sicherheit gegen die möglichen, unangenehmen Seiten im Verhältnis von Gehölzen und Ackerbau. Eine gute Planung biete noch weitere Perspektiven: Eine neue Ästhetik in unserer Landschaft, wie sie zuletzt im Modell der ornamental farms oder ferme ornée der englischen Landschaftsplaner des 18. Jahrhunderts geboten wurden. Noch heute zählen die englischen Parklandschaften zu den besten Beispielen der Verbindung von Produktion mit Ästhetik und Naturschutz. Eine Renaissance auf der Basis der heutigen Produktion erscheint wünschenswert.
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Hecken als Ertragsfaktor |
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Teil 4: Planungsfaktoren Bei einer Neuanlage sind viele Faktoren zu beachten, um die Wirkung der Pflanzung voll ausnutzen zu können. Werden die Planungsfaktoren optimal aufeinander abgestimmt, werden die Hecken zum Ertragsfaktor. Nur wenn die Hecke schon vor der Pflanzung unter dem Kriterium der Produktion gesehen wird, bietet sich später diese Möglichkeit tatsächlich an. Dieser Vorgang ist mit einem gut oder schlecht geplanten Haus zu vergleichen. Ein schlecht geplantes Haus läßt sich kaum durch einen gelungenen Garten oder die Farbgestaltung wieder verbessern. Folgende Planungskriterien sind von Bedeutung:
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